Die inneren Ängste besiegen

Die Geschichte unseres jugendlichen Patienten Taio*

28.9.2023

Wir alle schlafen manchmal schlecht und werden von düsteren Träumen verfolgt. Bei unseren Patient:innen sind massive Schlafprobleme häufig Teil einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Wie qualvoll dies sein kann, zeigt die Geschichte des 17-jährigen Taio:

Taio reißt seine Augen weit auf. Um ihn herum ist alles dunkel. Hektisch tastet er nach dem Lichtschalter. Endlich erhellt der Schein der Nachttischlampe sein kleines Zimmer und drängt die Schatten des schrecklichen Albtraums zurück. Sein Atem beruhigt sich langsam. Er weiß wieder, wo er sich befindet. Und dass er in Sicherheit ist.

Noch immer verfolgen Taio die gewaltvollen Erlebnisse aus seiner Kindheit. Der Schamane seines westafrikanischen Heimatdorfes bezichtigte die Frauen in seiner Familie der Hexerei. Von Kindesbeinen an erfuhr er dadurch massive Ausgrenzung und gewalttätige Übergriffe durch die Dorfbewohner:innen, ein Schulbesuch war undenkbar. Die Gewalt spitzte sich immer weiter zu, bis eines Tages ein aufgebrachter Mob seine Mutter lynchte. Taio konnte sich gerade noch rechtzeitig zur nächstgelegenen Polizeistation retten. Von dort aus begann eine mehrjährige Odyssee mit dem fernen Ziel Europa. Bei einem tragischen Unfall stürzte er von der völlig überladenen Ladefläche eines Transporters, der ihn zur Küste Tunesiens bringen sollte, und verlor dabei seinen rechten Unterarm. Nur durch seinen unglaublich starken Überlebenswillen schaffte er es, sich allen Widrigkeiten zum Trotz nach Deutschland durchzuschlagen.

In Deutschland konnte Taio das erste Mal in seinem Leben eine Schule besuchen. Aber obwohl er hoch motiviert war, konnte er dem Unterricht kaum folgen. Sein ständiger Begleiter war die Angst um sein Leben. Nächtliche Albträume ließen ihn kaum schlafen und er erlitt immer wieder Flashbacks, die ihn in gewaltsame Situationen zurück katapultierten. Glücklicherweise erkannte eine Sozialarbeiterin in seiner Wohneinrichtung seine Symptome und brachte ihn zu uns ins Zentrum ÜBERLEBEN.

Seit einem Jahr kommt Taio nun regelmäßig zu den Sitzungen mit seinem Therapeuten in unserer ambulanten Abteilung für Kinder und Jugendliche. Schnell wurde klar, dass sein größter Wunsch darin bestand, wieder normal schlafen zu können und einen Freund zu finden. Deshalb liegt neben der traumafokussierten Psychotherapie ein weiterer Schwerpunkt in der sozialen Vernetzung. Durch die Einbindung in unsere Nachhilfegruppe und den Eintritt in einen inklusiven Sportverein sind inzwischen Freundschaften entstanden. Außerdem macht Taio große Fortschritte in der Schule und spricht schon nahezu fließend Deutsch, sodass es kaum noch nötig ist, Dolmetscher:innen in der Therapie einzusetzen. Auch hat Taio gelernt wie er mit seiner Angst umgehen kann, seine Albträume und Flashbacks ebben ab und beeinträchtigen ihn nur noch selten. Sein erklärtes Ziel ist es, nach dem Schulabschluss eine Ausbildung im sozialpädagogischen Bereich zu absolvieren. Denn so, sagt er, kann er selbst geflüchtete Jugendliche dabei unterstützen, ein aktiver Teil der Gesellschaft zu werden.

Danke, dass Sie uns helfen, für Menschen wie Taio da zu sein.

Ihr Team des Zentrum ÜBERLEBEN

Unsere Bildungsangebote für Patient:innen

Ob Nachhilfe für (Berufs-)Schüler:innen, Sprachlernkurse oder IT-Training – all das fördert die Bildung unserer Patient:innen und sorgt für bessere Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und langfristig für eine gelungene Integration. Mit Ihren Spenden können wir diese Angebote bei uns im Zentrum auf die individuellen Bedürfnisse unserer Patient:innen zugeschnitten anbieten: in kleinen Gruppen, traumasensibel und in einem der psychischen und gesundheitlichen Belastung angemessenen Tempo. Zudem können wir Bücher und Unterrichtsmaterial anschaffen, das sich unsere Patient:innen selbst nicht leisten können.

So hilft Ihre Spende

  • 30€ finanzieren Bücher, Hefte und weiteres Lernmaterial für unsere Bildungskurse
  • 60€ sichern eine Stunde therapeutisches Gruppenangebot
  • 150€ ermöglichen eine ausführliche Sozialberatung für unsere Patient:innen


Die psychosoziale Versorgung von geflüchteten Kindern, Jugendlichen sowie deren Familien wird u.a. gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von der Beauftragten des Senats für Integration und Migration aus Mitteln der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung sowie terre des hommes.

* Der Schutz unserer Patient:innen ist uns wichtig. Deswegen arbeiten wir mit Anonymisierungen bei Persönlichkeitsdaten und Fotos.