Keine weiteren Abstriche im Umgang mit Menschenrechten!

23.1.2024

Die Weihnachtsfeiertage sollen eigentlich eine besinnliche Zeit sein. Doch sowohl die EU als auch die Bundesregierung hat die Vorweihnachtszeit dazu genutzt, sich auf die wohl stärksten Verschärfungen des Asylrechts der letzten Jahrzehnte zu einigen. Daraus folgte letzte Woche im Bundestag das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“. Die absehbaren Folgen für traumatisierte geflüchtete Menschen sind fatal. Der Aufschrei von humanitären Einrichtungen sowie psychosozialen Zentren wie dem Zentrum ÜBERLEBEN ist entsprechend groß – eine angemessene politische Reaktion darauf bleibt jedoch bislang aus.

Am Donnerstag, den 18.01.2024, hat sich die Bundesregierung auf ihr Rückführungsverbesserungsgesetz geeinigt. Dieses gehört zu einem Maßnahmenpaket, welches bereits im Dezember vorgestellt wurde. Das Grundproblem: Durch das Rückführungsverbesserungsgesetz wird mit Schutzsuchenden durch strenge, menschenunwürdige Verfahren abgerechnet. So sollen Polizeikräfte künftig erweiterte Möglichkeiten zum Betreten von Räumlichkeiten wie Gemeinschaftsunterkünften haben. Dadurch können zu jeder Zeit am Tag oder auch in der Nacht und ohne Vorwarnung Räume in Geflüchtetenunterkünften durchsucht werden – auch wenn es sich bei der gesuchten Person um eine:n Mitbewohner:in der Anwesenden handelt. Somit wird das Recht auf Privatsphäre der betroffenen Menschen angegriffen und das Gefühl verstärkt, zu jedem Zeitpunkt verfolgt und festgenommen werden zu können. Diese Ängste werden zudem durch den Beschluss verstärkt, Abschiebungen künftig den Betroffenen nicht mehr ankündigen zu müssen. Für Menschen, die bereits Flucht und Verfolgung erlebt haben, ist diese permanente Unsicherheit schlichtweg eine psychische Zumutung und die Gefahr, dass ihre Traumata verstärkt oder reaktiviert werden ist groß.

Eine weitere Regelung des Maßnahmenpakets vom Dezember sieht die Ausweitung des Asylbewerberleistungsgesetzes vor. Im Gespräch ist der Plan, dass Asylsuchende und geduldete Menschen, darunter auch körperlich und psychisch Erkrankte, in Zukunft erst nach drei Jahren einen vergleichbaren Zugang zur gesundheitlichen Versorgung wie deutsche Staatsangehörige erhalten sollen. Insbesondere für traumatisierte Menschen ist das höchst gefährlich, da eine ausbleibende Behandlung zur Chronifizierung und Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustands führen kann.

Als wären diese vorgesehenen Neuerungen nicht erschreckend genug hatten sich im Dezember auch die EU-Institutionen auf eine Reform des europäischen Asylsystems geeinigt, die Verschärfungen vorsieht, welche grundlegende Menschenrechte von Schutzsuchenden gefährden. Monatelang hatten die EU-Staaten darüber verhandelt, ob und wie sie mit der zunehmenden Migration umgehen wollen. Das Ergebnis: Eine Reihe von Maßnahmen, die es Grenzbehörden erlaubt, geflüchtete Menschen – darunter auch Kinder – in gefängnisähnlichen Unterkünften hinter Stacheldrahtzäunen festzuhalten. Dort sollen sie ca. 12 Wochen für ein sogenanntes Asylschnellverfahren verweilen, an dessen Ende größtenteils eine Abschiebung steht. Statt eines echten Asylverfahrens in der EU sollen geflüchtete Menschen also schnellstmöglich zurück in ihre Heimatländer oder sogenannte „sichere Drittstaaten“ geschickt werden. Dabei wurden die Standards für diese angeblich sicheren Länder ebenfalls herabgesenkt, sodass davon auszugehen ist, dass für die meisten Geflüchteten dort kein menschenwürdiges Leben möglich sein wird.

In ihrem gemeinsamen Positionspapier haben die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, die Bundespsychotherapeutenkammer und die Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie auf sämtliche gesundheitliche Risiken des Migrationspakets verwiesen und klare Forderungen formuliert, um die Rechte von schutzsuchenden Menschen zu schützen.

So fordern die genannten Institutionen von der Bundesregierung:

  • „die Rücknahme der Pläne, den Bezugszeitraum der eingeschränkten Gesundheits- und Sozialleistungen auf 36 Monate zu verdoppeln;
  • Die Gesundheitsleistungen aus dem AsylbLG herauszunehmen, wie im Koalitionsvertrag gefordert, und Gesundheitsleistungen wie im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für Geflüchtete gesetzlich zu verankern;
  • Die verpflichtende bundesweite Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für alle Geflüchteten;
  • Den Anspruch auf qualifizierte Sprachmittlung im SGBV zu verankern.“

Das Zentrum ÜBERLEBEN stellt sich ebenfalls hinter diese Forderungen und appelliert an einen menschenwürdigen Umgang mit traumatisierten geflüchteten Menschen. Wir dürfen nicht zulassen, dass immer mehr Abstriche im Umgang mit den allgemeinen Menschenrechten gemacht werden!.