Fallgeschichte
Hoffnung und Gesundheit:
Die Sorgen eines afghanischen Vaters
26.3.2024
Als Vater wollte er immer nur das Beste für sein Kind. Doch jetzt muss Karim* aus der Ferne tatenlos zuschauen, wie seine Tochter völlig entrechtet zu einem Leben in Angst und Schrecken gezwungen wird.
Die Taliban haben Frauen komplett aus dem öffentlichen Leben verbannt – Bildung, Berufstätigkeit, selbst die eigenständige Bewegungsfreiheit ist ihnen untersagt. Wer sich widersetzt, verschwindet. Nach den dramatischen Bildern im Zuge der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 ist Afghanistan mittlerweile aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Gleichwohl leiden die Menschen massiv unter dem reaktionären Gewaltregime.
Karim war lange Zeit als Dolmetscher für eine deutsche Nichtregierungsorganisation in Kabul tätig. Als sich die Sicherheitslage für Ortskräfte verschärfte, konnte er vor nunmehr fast drei Jahren das Land umgehend verlassen – zusammen mit seiner Frau. Seine Tochter war jedoch gerade volljährig geworden, zählte damit nicht mehr zur Kernfamilie und war nicht zur Ausreise berechtigt. Obwohl sie durch ihr früheres Engagement in einem Bildungsprojekt für Mädchen ebenfalls Repressalien zu befürchten hat.
Der rettenden Evakuierung folgte somit nicht wie erhofft ein Aufatmen in Sicherheit. Sie zog vielmehr eine tiefe emotionale Zerissenheit nach sich, die in einer schweren Depression mündete. Karim selbst war den Drohungen und Schikanen der Taliban entkommen – seine Tochter konnte er nicht davor schützen. Eine qualvolle innere Tortur. Er konnte nicht mehr schlafen, hatte immer öfter Panikattacken und kam allein nicht mehr aus seinen endlos kreisenden Gedanken heraus.
Auch seine Frau wusste nicht mehr, wie sie ihm noch helfen sollte, deshalb vereinbarte sie einen Termin im Zentrum ÜBERLEBEN. Den Kontakt hatte die Dozentin ihres Deutschkurses hergestellt. Seither hat sich viel verändert für die beiden. Karim erfährt Entlastung in der wöchentlichen Therapiesitzung. Gemeinsam mit seinem Therapeuten arbeitet er an den nagenden Schuldgefühle und erlernt Techniken, wie er mit seiner Angst und den wiederkehrenden Gedankenschleifen umgehen kann. Endlich kann er nachts wieder in den Schlaf finden.
In der sozialen Beratung wird das gesamte familiäre System in den Blick genommen. Unterstützt durch die begleitende Sozialarbeiterin wurde daher ein Aufnahmeantrag für die bedrohte Tochter gestellt. Das Ziel, dem eigenen Kind ein menschenwürdiges Leben in Freiheit zu ermöglichen, rückt in greifbarere Nähe. Dadurch fühlt Karim sich aus seiner hilflosen Ohnmächtigkeit befreit. Sein Fokus verschiebt sich , er beginnt zu überlegen was er tun kann, um seine eigene Situation zu verbessern. Langsam reift der Gedanke in ihm, wieder als Dolmetscher tätig zu werden.
Was den beiden zusätzlich Kraft und Zuversicht gibt: Die unbeschwerten Stunden während der therapiebegleitenden Ausflüge, zu denen sie regelmäßig eingeladen werden. Hier kann auch Karims Frau loslassen und sich entspannen. Lange hat sie durchgehalten für sich und ihren Ehemann, alles organisiert und nur wenig für ihre eigenen Bedürfnisse gesorgt. Karim macht es glücklich zu sehen, wie sie nun aufblüht, einfach sie selbst sein kann und ihr so viele Dinge offen stehen, die ihr zuvor unter Strafe verboten waren.
Viele Teile unserer gesundheitsfördernden Arbeit im Zentrum ÜBERLEBEN sind bis heute nicht oder nur unvollständig durch öffentliche Fördergelder abgedeckt. Deshalb freuen wir uns, wenn Sie uns mit einer Spende unterstützen und uns dadurch dabei helfen, unsere vielfältigen Angebote abzusichern.
Danke, dass Sie mit Ihren Spenden für Menschen wie Karim die Dinge wieder zum Guten wenden.
Ihr Team des Zentrum ÜBERLEBEN
.
* Der Schutz unserer Patient:innen ist uns wichtig. Deswegen arbeiten wir mit Anonymisierungen bei Persönlichkeitsdaten und Fotos.