Schulleiter Marco Hahn zeigt Familienministerin Franziska Giffey Schulprojekte.

Giffey besucht besondere Berufsfachschule für Pflege

„Modellcharakter für Deutschland“

Zum Internationalen Tag der Unterstützung für Folteropfer hat Familienministerin Giffey das Berliner Zentrum Überleben besucht. Ein Modellprojekt – wie sie betont – vor allem in einem eher unerwarteten Bereich.

9.7.2020 | Von Alexander Riedel (KNA)

Berlin (KNA) Das Besondere an der Berufsfachschule „Paulo Freire“ sind ihre Schüler: Sie kommen nicht nur aus mehr als einem Dutzend Länder und absolvieren eine Ausbildung zur Sozialassistenz mit Schwerpunkt Pflege oder einen sogenannten Pflegebasiskurs. 44 Prozent der Teilnehmer haben zudem einen Fluchthintergrund. Mit diesem speziellen Fokus sei das Angebot einmalig in Deutschland, sagt Schulleiter Marco Hahn am Freitag beim Besuch der Berliner Einrichtung durch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).

Und die zeigt sich beeindruckt. Die Schule habe „Modellcharakter für Deutschland“ und könne dabei helfen, Potenziale im Inland für den Fachkräftebedarf zu heben. Man wolle prüfen, ob eine Projektförderung seitens des Bundes möglich sei, verspricht Giffey. An der Schule werde Integration wirklich gelebt und Perspektiven würden aufgezeigt.

Die „Paulo Freire“ ist nur ein Teil des vom Ministerium geförderten Zentrums Überleben. Auf dem Gelände eines früheren Krankenhauses – das 2015 bundesweite Bekanntheit erlangte, da es auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) beherbergte – kümmert sich das gemeinnützige Zentrum darum, Überlebende von Folter und Kriegsgewalt umfassend ins Leben zurückzubringen. Betroffene werden behandelt, beraten und eben auch qualifiziert. Passend dazu kam Giffey am Internationalen Tag der Unterstützung für Folteropfer.

Schulleiter Hahn berichtet indes auch von Schwierigkeiten: So gelte seine staatlich anerkannte Ersatzschule rechtlich als Privatschule. Dadurch seien zwar die Personalkosten gedeckt, nicht jedoch Miete oder Materialkosten. So müsse man auch trotz der meist prekären Lage der Schüler ein Schulgeld von 100 Euro im Monat erheben. Dabei habe er zwar manchmal ein schlechtes Gewissen, erzählt Hahn, doch anders könne sich die Schule nicht finanzieren.

Hier hakt die Ministerin gleich ein und fordert, dass alle sozialen Berufe – von deren Systemrelevanz zuletzt so viel die Rede war – aufgewertet werden müssten. Dazu gehöre auch, dass kein Schulgeld für die Ausbildung erhoben werde. Da müssten Bund, Länder und Kommunen mehr tun. Eine Ausbildungsvergütung sei extrem wichtig.

Wer sich etwa die Ausbildung zur Sozialassistenz an der Berufsfachschule wegen der Gebühren nicht leisten könne, komme ja gar nicht in der Ausbildung zur Pflegekraft an, für die seit diesem Jahr dann keine Gebühren mehr fällig werden, erklärt Giffey. Viele Absolventen der „Paulo Freire“ durchlaufen später eine solche Ausbildung.

Doch das Schulgeld ist nicht die einzige Hürde, die die Schüler der Berufsfachschule nehmen müssen. So berichtet beispielsweise eine Schülerin der Ministerin, dass sie viel Stress habe wegen ihres Aufenthaltstitels und viele Behördengänge erledigen müsse. Dieser Stress lenke dann vom Lernen ab. Hinzu komme mitunter die Sprache, denn der Unterricht ist auf Deutsch.

Das Zentrum Überleben fordert für seine Integrations- und Ausbildungsangebote im Pflege- und Erziehungsbereich neben der Abschaffung des Schulgelds auch eine langfristige Finanzierung von Sozialarbeitern sowie den Schutz vor Abschiebung während der Ausbildung oder der Kurse. Zudem sollten die Kosten für Miete und Ausstattung übernommen werden. Geschäftsführer Carsten Völz nutzte die Gelegenheit des hohen Besuchs und forderte auch einen generellen Ausbau der Versorgung schwer traumatisierter geflüchteter Menschen.

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Bild: Zentrum ÜBERLEBEN

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