Fallgeschichte
Politisch Gefangener im Iran – Rezas Geschichte
29.3.2021
Sonnenstrahlen auf der Haut, ein angeregtes Gespräch mit einem Freund im Park, eine friedliche Nacht… all dies sind Dinge, die Reza M.* unendlich zu schätzen weiß. Lange Zeit in seinem Leben blieben ihm diese Freiheiten verwehrt. Sein Alltag: Schlafentzug, drei karge Mahlzeiten, Demütigungen und Misshandlungen, quälende Stunden des Nichts, Schmerz und die Angst, die Haft nicht zu überleben – jeden Tag, 365 Tage im Jahr, 15 Jahre lang als Häftling in einem Teheraner Gefängnis. Sein „Vergehen“ bestand im Einsatz für die Meinungs- und Pressefreiheit in seinem Land mit einer Studentengruppe. Vom Regime als einer der Drahtzieher identifiziert, wurde Reza M. während einer Demonstration festgenommen und später inhaftiert.
Nach seiner Entlassung gelang ihm die Flucht nach Deutschland, wo er schließlich in Berlin bei einem entfernten Verwandten unterkam. Dieser erkannte schnell, dass Reza M. dringend Hilfe benötigte. Nachts verfolgten ihn panische Albträume, tagsüber seine Erinnerungen an erniedrigende Situationen sowie Schuldgefühle gegenüber seinen Mitstreitern, die er durch unter Folter erzwungene Geständnisse verraten musste. Allein fand Reza M. keinen Weg aus seinen depressiven Gedanken, konnte sein Leben nicht mehr selbst bewältigen. Das war vor 10 Jahren.
In unserer Tagesklinik atmete Reza M. zum ersten Mal auf. Er traf Menschen, die wie er tief gezeichnet und durch die Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse stark beeinträchtigt sind. Jedem Tag eine Struktur geben, den eigenen Körper wieder fühlen, Beziehungen aufbauen und eine neue Perspektive entwickeln – das lernte Reza M. in kleinen, mühevollen Schritten.
Nach einem Jahr intensiver Betreuung konnte er in unsere ambulante Abteilung für Erwachsene wechseln, wo er durch wöchentliche Gespräche mit seiner Therapeutin und dem begleitenden Sozialarbeiter weiter unterstützt wurde. Die über viele Jahre erlittenen massiven psychischen und physischen Gewalterfahrungen und daraus resultierende chronische Erkrankungen ließen bei Reza M. insgesamt nur einen sehr langsam voranschreitenden Behandlungsverlauf zu.
„Eine psychotherapeutische Behandlung ist kein geradliniger Prozess, es können immer wieder auch Rückschläge passieren,“ so Dr. Tanja Waiblinger, Leiterin der ambulanten Abteilung für Erwachsene. „Wir freuen uns umso mehr, wenn auch schwerwiegend erkrankte Menschen wie Herr M. nach mehrjähriger Behandlung in einen stufenweisen Ablösungsprozess eintreten können. In dieser Phase, der sogenannten Nachsorge, geht es darum, die Gewichtung von der therapeutischen Verarbeitung des erlebten Traumas hin zur aktiven Alltagsgestaltung zu verschieben.“ Die Abstände zwischen den einzelnen Sitzungen werden immer länger und die Patient*innen werden verstärkt in offene Angebote des ZÜ angebunden, wie der wöchentlichen Kreativgruppe. So rückt das therapeutische Setting zunehmend in den Hintergrund, kann jedoch in akuten Krisensituationen wie ein Rettungsschirm in Anspruch genommen werden.
Für viele unserer Patient*innen ist das Zentrum ÜBERLEBEN zu einem festen Ankerpunkt geworden. Hier fühlen sie sich sicher, gehört und aufgehoben. Hier können sie immer anklopfen. In offenen Nachsorgegruppen oder in der Kreativgruppe sind nicht zuletzt Freundschaften entstanden, die Halt und Zuversicht geben.
Dieses umfassende Angebot der Nachsorge, das oftmals über Jahre hinweg in Anspruch genommen wird, ist jedoch nur zu einem begrenzten Maß über Sozialleistungen abgedeckt. Durch Ihre Spenden können wir Menschen wie Reza M. die Unterstützung geben, die sie brauchen, um behutsam wieder im Leben Fuß zu fassen.
→ Helfen Sie, Patient*innen wie Reza auf ihrem Weg in eine gesündere Zukunft – mit einer Spende.
.SPENDENKONTO
Zentrum ÜBERLEBEN gGmbH
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