Interview

Hakims* Geschichte: über Leid und über Glück

1.12.2020

Der Werdegang von Hakim* zeigt, wie kleine Begegnungen im Leben Türen öffnen können. Das hat unseren Schüler an die Berufsfachschule Paulo Freire ins Zentrum ÜBERLEBEN gebracht. Hinter ihm liegen harte Erfahrungen in Syrien, auf der Flucht und leider auch in deutschen Wohnheimen. Doch die Schule eröffnet ihm berufliche Perspektiven im Bereich Erziehung oder Pflege, was eine riesige Chance für ihn ist. Sein tiefster Wunsch ist es, anderen Menschen zu helfen.

Vor mir sitzt ein junger Mann, 27 Jahre alt, sympathisch, spricht sehr gut Deutsch und ist früh am Morgen pünktlich zum Interview erschienen. Sein Name ist Hakim. Gleich hat er einen Workshop: alle Schüler*innen seiner Klasse an der Berufsfachschule Paulo Freire werden heute etwas über gewaltfreie Kommunikation erfahren. „Ich bin glücklich, dass ich an dieser Schule bin“, sagt Hakim. „Die Schule ist eine riesige Chance für mich, denn ich will später in der Sozialarbeit anderen Menschen helfen. Die Lehrer hier verstehen die Menschen, die ganz neu in Deutschland sind. Sie gehen auf uns ein und fördern uns beim Lernen der Sprache. Es sind tolle Leute, die uns bei allen unseren Fragen unterstützen. Wir können hier sehr viel lernen.“

Hakim ist bei der Ausbildung zum Sozialassistenten ganz besonders am Schwerpunkt Erzieher interessiert. Er ist bereits in einer Jugendeinrichtung engagiert und hat schon jede Menge berufliche Erfahrungen auf Honorarbasis dort gesammelt. Er bot Foto- und Fußballprojekte an und arbeitete mit Obdachlosen. So etwas beruflich auch in Zukunft zu machen, liegt ihm sehr am Herzen. Seit er in Deutschland lebt, hat er selbst viel Härte und große Not am eigenen Leib kennenlernen müssen.

„Abgesehen von der Zeit in Syrien war die Flucht nach Europa wirklich schlimm und so ging es weiter. Als wir in Deutschland angekommen sind – und da spreche ich nicht nur über mich – haben wir Erfahrungen gemacht, die an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten sind, obwohl wir uns nur nach Sicherheit gesehnt hatten“, erzählt Hakim sichtlich angespannt. „In dem Wohnheim in Spandau wurde ich von der Security drangsaliert, bedroht und am Ende wurde ich als Randalierer dargestellt und rausgeschmissen. Ich habe nicht verstanden, was sie über mich geschrieben und ans Amt weitergeleitet hatten, deren Mitarbeiter ich genauso wenig verstanden hatte. Niemand hat mir geholfen, weder die Menschen in den Behörden noch die im Wohnheim.“ Das spielte sich alles 2015 ab, als sehr viele Geflüchtete in Berlin eingetroffen sind. “Ich sollte dann in einer Unterkunft mitten im Wald leben, wo alles völlig heruntergekommen war. Das war wirklich unvorstellbar. Und es gab viele Leute, die alkoholisiert waren. Ich habe mich wieder bedroht gefühlt und zog es vor, zusammen mit meinem Cousin zwei Wochen auf der Straße zu schlafen. Es war die härteste Erfahrung, die ich jemals gemacht habe. Februar 2016 war dann der absolute Tiefpunkt: ich hatte den Gedanken, zurück nach Syrien zu gehen, weil ich es dort sogar noch sicherer fand als hier. Das war eine verkehrte Welt.“

Doch Hakim öffnete sich durch die Begegnung mit einem Menschen neue Türen: er konnte in einem Mentorenprogramm teilnehmen, machte ein 6-monatiges Praktikum bei Zalando und lernte eine Sozialarbeiterin kennen, die ihn bei sich zu Hause aufgenommen und in ihre Familie integriert hat. Seitdem ist sein Leben völlig verändert.

„Ich habe soviel empfangen. Sie behandeln mich wie ein Familienmitglied und am Anfang, als ich noch nichts verstanden habe, haben wir uns mit Hilfe von Zetteln verständigt. Jetzt kenne ich die gesamte Familie mit fünf erwachsenen Kindern und ihren Familien. Und sie kennen sogar meine Familie in Damaskus, denn wir sprechen manchmal über whatsapp miteinander.“

Zu seiner Familie in Syrien hat Hakim eine innige Beziehung und fühlt sich für sie verantwortlich. Aber 2015 musste er fliehen, da das Regime begonnen hatte, seine Familie zu bedrohen. Er selbst, damals in Ausbildung im metallverarbeitenden Bereich, war wenig politisch aktiv gewesen, aber auf Protestveranstaltungen gegen Assad gegangen. Das reichte, um verhaftet, gefoltert oder getötet zu werden. Das Kapitel seiner Fluchtgeschichte via Libanon, Türkei, Griechenland und Mazedonien mit Bussen und Bahn haben wir im Gespräch nicht einmal angesprochen. Die Trennung von seiner Familie fällt ihm schwer, das spürt man. Nun hat er eine „Ersatzfamilie“ in Berlin, die ihn unterstützt und ihm auch half, die Ausbildung bei uns an der Berufsfachschule Paulo Freire im Zentrum ÜBERLEBEN zu beginnen.

„Wenn ich nach meiner Ausbildung zum Sozialassistenten nicht in die Sozialarbeit hineinkomme, dann wechsle ich in die Pflege. Meine Religion sagt mir einfach, dass ich Menschen helfen soll, wenn ich kann und die Kraft dazu habe. Es ist dabei völlig egal, welcher Religion ein Mensch angehört“, schließt Hakim „Und das finde ich auch total gut an unserer Schule: hier sind alle willkommen, egal, woher jemand kommt und egal, an was man glaubt. Hier gibt es viel Raum, um sich auszutauschen. Alle sind tolerant, hören zu und fragen nach. Und nicht nur die Lehrer und Lehrerinnen, sondern auch die Schüler, die in Deutschland aufgewachsen sind, haben viel Interesse und ein Gefühl für uns. Das ist eine tolle Erfahrung.“

Unsere Berufsfachschule Paulo Freire hat als Privatschule mit großen Finanzierungslücken zu kämpfen. Denn laufende Kosten wie z.B. die Raummiete werden nicht durch öffentliche Mittel abgedeckt.
Deshalb sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen. Helfen Sie jetzt mit Ihrer Spende, Menschen wie Hakim* durch eine Ausbildung eine Zukunftsperspektive zu schenken.

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Zentrum ÜBERLEBEN gGmbH
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