Newsletter 4/2018 – Titelthema

Kein sicherer AnkER– Kinder raus aus Sammelunterkünften!

Im nächsten Jahr wird die UN Kinderrechtskonvention 30 Jahre alt. Doch nach wie vor werden die Rechte minderjähriger Geflüchteter unzureichend umgesetzt – auch in Deutschland. Besonders katastrophal ist die Unterbringung Minderjähriger in AnKer-Zentren oder anderen Sammelunterkünften für Geflüchtete.

Eine Studie von Save the Children bestätigt, was bei den Patient*innen der Kinder- und Jugendabteilung im ZÜ längst offensichtlich ist: Ihre Rechte werden nicht umfassend umgesetzt. Geflohene Kinder und Jugendliche sind die Leidtragenden des Verantwortungsvakuums zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Am Ende wird niemand auf die Bedarfe der jungen Menschen aufmerksam. Dabei wurden sie in ihrer Heimat oder auf der jahrelangen Flucht häufig traumatisiert und benötigen dringend psychotherapeutische und soziale Hilfe.

Der Bedarf an psychosozialer Versorgung ist bei Kindern und Jugendlichen weitaus höher als das Angebot. Im Vergleich zu den Angeboten für Erwachsene stellt sich das Versorgungsdefizit nochmal dramatischer dar. Es fehlt an Anlaufstellen, Personal und nachhaltigen Finanzierungslösungen. Bürokratische Prozesse für Kostenübernahmen und Behandlungsermächtigungen dauern zu lange. Die Betroffenen müssen lange Zeit in Unterkünften verbringen, in denen es an kindgerechten Lebensbedingungen, an Privatsphäre und Bildungsangeboten mangelt. Die größte Hürde für minderjährige Geflüchtete ist jedoch, überhaupt einen Zugang zu psychosozialer Versorgung zu finden.

Mitarbeitende aus Erstaufnahmeeinrichtungen geben in der Studie an, dass sie rein „nach Bauchgefühl“ beurteilen, ob der Bedarf einer psychosozialen Beratung vorliege, weil es vor allem an Zeit mangelt. Das Erkennen einer möglichen traumareaktiven Symptomatik der Kinder ist daher dem Zufall überlassen. Oft sind auch andere Familienmitglieder traumatisiert.

Das ZÜ bietet seit 2000 eine Traumafachstelle für Kinder und Jugendliche. Sie ist eine der sehr wenigen hochspezialisierten und traumatherapeutisch arbeitenden Stellen in Deutschland. Hier werden etwa 30 Patient*innen im Jahr behandelt. Was die begleiteten und unbegleiteten Minderjährigen berichten, ist auch für erfahrene Mitarbeitende immer wieder herausfordernd. Die Kinder wurden vergewaltigt, misshandelt, versklavt, verkauft, gefoltert. Nur wenigen gelingt die Flucht. Umso wichtiger ist es, Ihnen hier in einer kindgerechten Unterkunft und engmaschigen Betreuung ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Eine Unterbringung in Sammelunterkünften, soziale Isolation und ein insgesamt erschwerter Zugang zum Hilfesystem sind dafür kontraproduktiv.

Im Interview berichtet Simone Wasmer, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, wie sich diese Schwierigkeiten auf die jungen Patient*innen auswirken. >zum Interview

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Foto: daria nepriakhina/unsplash.com