PRESSEMITTEILUNG DES BUNDESWEITEN BÜNDNIS FÜR SPRACHMITTLUNG IM GESUNDHEITSWESEN 

Sprachmittlung im Gesundheitswesen

Gesetzentwurf muss die Qualität für Sprachmittlung im Blick haben und darf diese nicht gefährden 

 (Berlin, 03.09.2024) – Im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird derzeit an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der Sprachmittlung im Gesundheitswesen regeln soll. Diese Entwicklung wird von vielen Seiten, so auch dem Bündnis für Sprachmittlung im Gesundheitswesen, begrüßt, da eine gesetzliche Regelung wesentlich dazu beitragen könnte, die Versorgung von Patient*innen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen zu verbessern. Die Qualität der Gesundheitsversorgung hängt stark von einer funktionierenden, effektiven Kommunikation ab. Allerdings befürchten Expert*innen, dass der Gesetzentwurf vor allem auf digitale (insbesondere APP-) Lösungen fokussieren könnte. 

Denn: Grundlage des Gesetzentwurfes ist das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben, dass „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V wird“. Dieses Vorhaben ist ein bedeutender Schritt, um zukünftig sicherzustellen, dass Patient*innen, unabhängig ihrer Deutschkenntnisse, eine adäquate medizinische Versorgung erhalten. 

 Wichtig wird die Ausgestaltung der im Gesetzentwurf formulierten Regularien sein. Der Gesetzentwurf muss die differenzierten Bedarfe in diversen medizinischen Settings und Kontexten berücksichtigen. Dabei muss auch sichergestellt werden, dass digitale Lösungen eine wichtige Ergänzung, aber kein Ersatz sein können. Telefon- und Video- sowie Face-to-face- Sprachmittlung sind in bestimmten medizinischen Kontexten unverzichtbar. Generell ist eine universelle Lösung in Anbetracht der Diversität der Versorgungsangebote im Gesundheitssektor nicht zielführend. Eine ganzheitliche und patient*innenzentrierte Gesundheitsversorgung erfordert entsprechende Sprachmittlungsangebote, um die Bedürfnisse von Patient*innen zu berücksichtigen und dem Gesundheitspersonal das Erbringen qualitativ hochwertiger Versorgungsleistungen zu ermöglichen. Idealerweise sollte der Gesetzentwurf daher die Möglichkeit einer Auswahl zwischen persönlicher Sprachmittlung (Face-to-face, per Video oder per Telefon) sowie digitalen Sprachmittlungslösungen, bspw. in Form einer App, umfassen. 

Denn: Insbesondere in sensiblen Bereichen, wie z.B. der psychiatrischen oder onkologischen Versorgung, können rein digitale Sprachmittlungslösungen die erforderliche sprachliche Genauigkeit, die an die Situation angepasste Kommunikation sowie das Einbringen eines adäquaten, nicht stigmatisierenden kulturellen Kontextverständnisses nicht garantieren. Diese sind jedoch für eine erfolgreiche medizinische Versorgung entscheidende Faktoren. 

Das Bündnis für Sprachmittlung im Gesundheitswesen appelliert daher an die Bundesregierung, die Qualität der Gesundheitsversorgung nicht zu gefährden und gleichfalls sicherzustellen, dass der Gesetzentwurf die richtige Balance zwischen digitalen Lösungen und persönlicher Sprachmittlung findet. 

In seinem Positionspapier vom 14.12.2022 fordert das Bündnis den Aufbau eines Netzes aus lokalen und bundesweiten Sprachmittlungsdiensten mit geschulten Sprachmittelnden, aus dem persönliche sowie Video- und Telefondolmetschleistungen mit geringem organisatorischem Aufwand kurzfristig angefordert werden können. Insbesondere wird gefordert, die Erfahrungen zum Priorisieren und Nutzen der Face-to-Face Sprachmittlung nicht zu ignorieren und in die gesetzliche Regelung einfließen zu lassen! 

Im Rahmen eines „Kiosk of Solidarity“ am 05.07.2023 am Berliner Leopoldplatz (Kiosk der Solidarität | transver (transver-berlin.de) hat TransVer- Ressourcen-Netzwerk zur interkulturellen Öffnung, ein Akteur des Sprachmittlungsbündnisses, Stimmen und Meinungen zum Thema Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung von Bürger*innen aufgenommen, die hier beispielhaft wiedergegeben sind. Sie demonstrieren, wie groß die Hürde der fehlenden Sprachmittlung aktuell für Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse ist, wie belastend diese Situation für Angehörige sein kann und wie wichtig eine adäquate Lösung ist: 

  • Frau mit Nierenerkrankung, langwierig, drei Jahre Arztbesuche, unzählige Behandlungen und Medikation, die unwirksam bleibt: „Wenn mir einmal jemand erklärt hätte, was wozu dient, wäre die Behandlung vielleicht schon abgeschlossen. Und wenn die Ärzt*innen einmal verstanden hätten, was das Problem und die Erkrankung ist, wäre es besser gelaufen.“ 
  • „Ich glaube viele haben auch Hemmungen zu telefonieren, wenn sie die deutsche Sprache nicht beherrschen. Das Gegenüber berücksichtigt das am Telefon nicht.“ 
  • Erzieherin begleitet arabischsprachige Mutter in ihrer Freizeit zum Arzt, weil diese es allein nicht geschafft hätte. Sie ist beeindruckt, wie einfach es eigentlich ist, wenn man sich die Zeit nimmt, aber wie hart die Hürden sind. 
  • Frau von Befragtem wartet drei Stunden im Wartezimmer. Dann beim Arzt sagt dieser, sie spreche zu wenig Deutsch, sie brauche einen Sprachmittler. Der Arzt bleibt hart. Er hat sie nicht aufgenommen. 
  • Vater eines fünfjährigen Sohnes mit Schilddrüsenerkrankung berichtet, dass er aufgrund seiner geringen deutschen Sprachkompetenzen erst beim fünften Krankenhaus einen Termin erhalten hat. Und das war großes Glück, weil die Sprechstundenhilfe selbst arabischsprachig war und bereit war zu übersetzen. 
  • „In meiner Arbeit als Sozialarbeiter und Psychologe in einer Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen stoße ich praktisch täglich auf Sprachbarrieren. Dringende Hilfe aus dem medizinischen Bereich und psychosozialen, aber auch dem rechtlichen Bereich kann oft nicht in Anspruch genommen werden. Dies gefährdet nicht nur die Gesundheit der Klient*innen, es verhindert auch deren Integration in unserer Gesellschaft. Mehr noch, es erschwert die Bewältigung der erforderlichen Schritte zur Inanspruchnahme ihrer Rechte als Bewerber*innen um Asyl. Ich bitte daher dringlichst um den Ausbau kostenfreier Sprachmittlung. Die derzeitigen Kapazitäten sind zu gering und erschweren nicht zuletzt auch mir die Ausübung meiner Funktionen“. 
  • „Ich wünsche mir mehr präventive Hilfe und nicht erst, wenn alles ganz schlimm ist, gesundheitlich.“ 
  •  Junger Mann: Onkel hatte einen Hirntumor, wegen Sprachbarrieren konnten sie nicht mal einen Notarzt rufen. Dolmetscher, den sie organisiert haben, hat eine Rechnung von über 1000 Euro gestellt. 

Das Bündnis für Sprachmittlung im Gesundheitswesen ist ein offener bundesweiter Zusammenschluss von Akteuren im Gesundheitsbereich, die sich gemeinsam für die Aufnahme von Sprachmittlung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) bzw. ins SGB V einsetzen. Dazu wurde 2022 von 30 beteiligten Organisationen ein Positionspapier erstellt, das zu einer schnellstmöglichen rechtlichen Verankerung aufruft und Rahmenbedingungen für die Sprachmittlung benennt, auch um einen Beitrag zum Abbau von strukturellem Rassismus und Diskriminierung im Gesundheitswesen zu leisten. Das Positionspapier wurde von mehr als 130 bundesweiten Institutionen und Verbänden mitgezeichnet. Seitdem befinden sich einige Vertreter*innen im regelmäßigen Austausch. Neue Organisationen und Verbände sowie Expert*innen sind dazugekommen. Die derzeitigen Akteure des Bündnisses wenden sich mit dieser Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Weitere Informationen zum Bündnis Sprachmittlung finden Sie hier.

Alle Mitzeichner:innen finden Sie in folgender >PDF (Download)


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Pressekontakt als Vertreterinnen des Bündnis Sprachmittlung im Gesundheitswesen: Prof. Dr. Ulrike Kluge & Dr. Simone Penka (sprachmittlung-ccm@charite.de) 

Pressekontakt Zentrum ÜBERLEBEN: Taline Akkaya (t.akkaya@ueberleben.org)