Pressemitteilung
Kaum beachtet und erforscht: Sexualisierte Gewalt an Männern
Berlin, 11. Dezember 2024
Unter mehr als 2000 befragten männlichen Teilnehmern eines psychologischen Behandlungsangebots haben mit rund 28% beinahe ein Drittel angegeben, sexuelle Traumata erlebt zu haben.
„Unsere Daten zeigen, dass diese Erfahrungen schwere psychische Beschwerden zur Folge haben können, besonders aus dem Spektrum der Posttraumatischen Belastungsstörung und der Depression“, so Freya Specht.
Ein wesentliches Problem ist, dass weit verbreitete gesellschaftliche Stigmatisierungen und Tabuisierungen des Themas hohe Barrieren für dringend notwendige Behandlungen darstellen. Max Vöhringer erklärt dazu: „Die Überlebenden sexueller Traumata, die im Kontext von Konflikten, aber auch unabhängig von diesen erlebt wurden, berichteten von stark ausgeprägten Schuldgefühlen. Gleichzeitig waren sie im Vergleich besonders gehemmt, über ihre traumatischen Erfahrungen mit vertrauten Menschen zu sprechen. Es scheint für die Männer sehr schwer zu sein, an sie herangetragene und verinnerlichte soziale Normen und Geschlechterbilder mit den traumatischen Erfahrungen und ihren Konsequenzen zu vereinbaren.“
Es fehlt ein Raum, in dem aufgeklärt wird: Ja, auch Männer können sexualisierter Gewalt zum Opfer fallen und unter schweren psychischen Folgen leiden, und das greift in keiner Weise ihre Männlichkeit an. Neben der Tabuisierung und Stigmatisierung des Themas ist die Angst, strafrechtlich verfolgt zu werden, ein weiteres Hindernis, das es Betroffenen erschwert, über ihre Erfahrungen zu sprechen und sich Hilfe zu suchen. Denn homosexuelle Geschlechtsakte sind in vielen Ländern der Welt, darunter auch in der MENA-Region, verboten. Zur gesellschaftlichen Stigmatisierung und den genannten psychischen Folgen kommt hier die Gefahr hinzu, als kriminell eingestuft und verurteilt zu werden. Anstelle von erforderlichen Unterstützungsangeboten sind Betroffene dann mit den strafrechtlichen Folgen von dem konfrontiert, was ihnen gegen ihren Willen angetan wurde. Studien wie die unserer wissenschaftlichen Abteilung sind auch deshalb relevant, um auf das Thema sexualisierte Gewalt an Männern und ihre Folgen aufmerksam zu machen und es besser zu verstehen.
Freya Specht fasst zusammen: „Es ist wichtig, dass die Thematik der konfliktbezogenen sexualisierten Gewalt weiter und genauer untersucht wird und man gezielte psychosoziale Versorgungsangebote sowohl für männliche als auch weibliche Überlebende schafft“.
Um niedrigschwellige Unterstützungsangebote für Überlebende traumatischer Erlebnisse zu schaffen, hat unsere wissenschaftliche Abteilung Online-Therapieangebote wie Ilajnafsy entwickelt. Diese sind auf Arabisch verfügbar und richten sich konkret an Menschen aus der MENA-Region.
Bei Interesse an der Studie zu sexualisierter Gewalt an Männern und der Arbeit der wissenschaftlichen Abteilung im Zentrum ÜBERLEBEN bieten wir Ihnen gerne ein Gespräch mit Freya Specht oder Max Vöhringer an. Senden Sie uns hierzu einfach eine E-Mail an t.akkaya@ueberleben.org oder rufen Sie uns telefonisch unter der 0159 06799136 an.
Die gesamte Studie ist ab heute unter folgendem Link online frei verfügbar: https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2024.102973